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Ike Abrams Quebec kam am 18. August 1918 in Newark, NJ, zur Welt, nachdem er als Tänzer und Pianist aktiv war, entdeckte er das Saxophon. Quebec spielte in Swing-Bands wie jenen von Roy Eldridge oder Hot Lips Page, frequentierte aber auch jene Clubs in Harlem, in jenen in den frühen Vierzigern ganz neue Klänge entstanden, die bald den Namen "Bebop" erhielten. Quebecs grosses Vorbild war Coleman Hawkins, der Übervater aller Tenorsaxophonisten jener Zeit. 1944 stiess Quebec zur Big Band von Cab Calloway und machte zugleich für Blue Note seine ersten Aufnahmen als Leader. Schon bei seiner ersten Session spielte er "Blue Harlem" ein, einen entspannten Blues, der zu seinem grössten Hit jener Zeit wurde, in den Jukeboxen und im Radio regelmässig gespielt. Bis 1946 leitete Quebec fünf Sessions für Blue Note, die zugleich eine Klammer bilden um eine Phase, in der Blue Note sogenannte "Swingtets" dokumentierte, kleine Formationen von Swing-Musikern.

Am Richtungswechsel, der 1947 mit der ersten Aufnahme von Thelonious Monk als Leader bei Blue Note stattfand, war Ike Quebec massgeblich beteiligt. Er, der stets auf dem Laufenden war, was die neusten Entwicklungen und Talente angeht, freundete sich nämlich mit Monk, Bud Powell und anderen an, und er war es, der die Gründer von Blue Note, Alfred Lion und Francis Wolff, dazu überredete, dem schrulligen Pianisten und Komponisten eine Chance zu geben. Blue Note dokumentierte zwar noch bis in die Fünfziger hinein auch traditionellen Jazz und Swing, gelegentlich sogar Rhythm & Blues (all das war Teil meiner vierteiligen Serie "Blue Note Records: die frühen Jahre", die im Frühling/Sommer hier lief), aber mit Monk schlug das Label eine neue Richtung ein, die den Kurs nachhaltig prägte. Band wurden auch Musiker wie Bud Powell, J.J. Johnson, Howard McGhee oder Miles Davis aufgenommen.

Ike Quebec spielte noch bis in den frühen Fünfzigern immer wieder mit Cab Calloway, nahm 1952/53 noch ein paar verstreute Sessions auf, doch dann wurde es still um ihn. Die frühen Fünfziger waren nach den Jahren des Aufbruchs unmittelbar nach Kriegsende eine Phase der Konsolidierung. Der feurige Bebop war nicht mehr so gefragt, der Cool Jazz trat seinen Siegeszug an, für afro-amerikanische Musiker, die eine direktere, härtere Spielweise bevorzugten, wurden die Zeiten etwas schwieriger. Alfred Lion und sein Calloway-Kollege, der Bassist Milt Hinton, blieben aber in Kontakt mit Quebec, der durch das Land zog und jeden Gig annahm, den er kriegen konnte – dabei aber auch mit seiner Heroinabhängigkeit zu kämpfen hatte.

Blue Note 1954 war mit seinen Aufnahmen von Horace Silver & The Jazz Messengers (Teil 2 meiner Sendereihe über die Entstehung des Hard Bop war dieser Formation gewidmet) an einem Durchbruch beteiligt, der den neuen Sound des Hard Bop in Stellung brachte. Eine Single der Jazz Messengers wurde zum Jukebox-Hit. 1956 nahm Blue Note den phänomenalen Organisten Jimmy Smith unter Vertrag und versuchte auch mit ihm, erfolgreiche Singles zu produzieren. Ähnliche Anläufe wurden mit anderen Musikern unternommen und 1959 bot eine Singles-Session Ike Quebec die Gelegenheit, zurückzukehren. Das war der Auftakt zu seiner kurzen zweiten Karriere, die mit seinem Tod im Januar 1963 ein viel zu frühes Ende fand.

In den Jahren 1960 bis 1962 nahm Quebec nicht nur ein paar wunderbare Alben als Leader auf – "Blue and Sentimental", "Heavy Sounds", "It Might as Well Be Spring", "Bossa Nova Soul Samba" – sondern wirkte als Sideman bei Aufnahmen von Jimmy Smith, Grant Green und anderen mit. Obendrein war er als A&R-Mann für das Label tätig. Er sorgte dafür, dass zwei weitere Veteranen, der Baritonsaxophonist Leo Parker und der Tenorsaxophonist Dexter Gordon, bei Blue Note unterkamen. Auch arrangierte er ein Album für die Sängerin Dodo Greene, auf dem er auch gleich die Bandleitung übernahm – eins von nur zwei Alben mit Sängerinnen, die Blue Note herausbrachten, beide im Jahr 1962 entstanden (das andere war das Debutalbum von Sheila Jordan). Quebec wurde zu einem wichtigen Teil der Blue Note-Familie und war bei praktisch allen Plattensessions anwesend, manchmal packte er auch sein Tenorsaxophon aus und spielte ein Stück mit, etwa bei Sessions von Sonny Clark, der damals einer der Hauspianist des Labels war und im Januar 1963 drei Tage vor Quebec an einer Überdosis verstarb. Clark, der Organist Freddie Roach, der alte Freund Milt Hinton am Bass, die Gitarristen Grant Green und Kenny Burrell, die Schlagzeuger Art Blakey, Al Harewood und Philly Joe Jones gehören zu den Musikern, die bei Quebecs Sessions mitwirkten.