The Sound of Surprise!

Dem Jazz ist meine Sendung gypsy goes jazz gewidmet, der Musik, die um die vorletzte Jahrhundertwende in den Vereinigten Staaten entstand und sich im Verlauf der Jahrzehnte stark entwickelte und wandelte. Die Musiker aus New Orleans zogen den Mississippi hoch, um in Chicago, der windy city, Platten aufzunehmen. Neue Musiker verfielen dem Jazz, entwickelten ihre eigenen Spielweisen. In der Swing-Ära ab 1935 wurde der Jazz zur Pop-Musik, die grossen Big Bands spielten in riesigen Ballsälen zum Tanz auf, der Jazz eroberte die Metropolen und die Nachtclubs. Dann kam der zweite Weltkrieg, das grosse Big-Band-Sterben. Eine neue musikalische Strömung ging von der New Yorker 52nd Street aus: der Bebop.

Mit dem modernen Jazz verlegte sich der Fokus vom Tanz auf das Zuhören - die Musik wurde anspruchsvoller, zur Bühne wurden kleinere Clubs. Der aufkommende Rock'n'Roll setzte dem Dasein des Jazz als Populärmusik ein Ende. Doch im New York der Vierziger- und Fünfzigerjahre konnte man am selben Abend alte New Orleans-Musiker, den Chicago Jazz oder Dixieland eines Eddie Condon, Swing-Combos oder Bebop-Musiker hören. Der Jazz blieb lebendig, eine Reihe von kleinen unabhängigen Plattenlabeln hatte seit den frühen Vierzigern damit begonnen, die Musik in all ihren Facetten zu dokumentieren: Commodore, Keynote, Savoy, Blue Note, Prestige oder Riverside, um nur ein paar der prominentesten zu nennen.

Miles, Max, Mingus, Trane, Monk, Sonny, Ornette und all die anderen

Mich hat der Jazz in den ersten Teenagerjahren gepackt und seither nicht mehr losgelassen. Die Reise begann mit Alben wie Somethin' Else von Cannonball Adderley, Milestones und Workin' with the Miles Davis Quintet, Art Blakeys Moanin', Freddie Redds The Connection, Jimmy Smiths Back at the Chicken Shack, den Prestige- und Atlantic-Alben von John Coltrane, aber auch mit Abdullah Ibrahims African Marketplace und Amandla von Miles Davis. Ich zog immer weitere Kreise - vom Hard Bop zur Avantgarde, aber auch zurück zum Bebop und Cool, zu Sonny Rollins, Max Roach, Eric Dolphy, Charles Mingus, Ornette Coleman, Cecil Taylor, Albert Ayler, Archie Shepp, zu Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Bud Powell, Thelonius Monk, Lennie Tristano. Musiker wie Kenny Dorham, Hank Mobley, Johnny Griffin, der früh verstorbene Pianist Sonny Clark oder der vergessene Trompete Tony Fruscella zählen heute noch zu meinen Lieblingsmusikern.

Nach einigen Jahren, in denen ich mich mehr der Avantgarde - auch der europäischen: Peter Brötzmann, Irène Schweizer, Evan Parker, Derek Bailey - gewidmet hatte, reifte die Erkenntnis, dass ich mich als guter Historiker auch vermehrt den Anfängen des Jazz widmen sollte. Längst hatte Lester Young mit tief berührt, längst war ich Billie Holiday verfallen, hatte die Big Bands von Duke Ellington, Count Basie und Jimmie Lunceford für mich entdeckt. Doch schon bei Louis Armstrong reichte mein Horizont nicht über die famosen Hot Fives und Hot Seven hinaus, Sidney Bechet, Earl Hines und andere frühe Jazzmusiker waren für mich weitgehend unerforschtes Territorium. So weiteten sich die Kreise, die am anderen Ende des Spektrums natürlich bis in die Gegenwart hinein reichten - denn auch Konzertbesuche trugen bei, dass meine Faszination für den Jazz in all den Jahren noch wuchs. Shirley Horn, Randy Weston, Lee Konitz, Sonny Rollins, Rhoda Scott, McCoy Tyner, Colin Vallon, Matana Roberts, Ahmad Jamal, Irène Schweizer, Elina Duni, Henry Threadgill, Anthony Braxton, das Sun Ra Arkestra unter Leitung von Marshall Allen oder Sheila Jordan bescherten mir unvergessliche musikalische Erlebnisse.

gypsy goes jazz

Als ich mich vor einigen Jahren im Forum des deutschen RollingStone anmeldete, wählte ich einen Alias, der einem Song meiner liebsten Rock'n'Roll-Gruppe entlehnt ist, The Band. Dass vor allem die Jazz-Ecke des Forums meine Aufmerksamkeit bündeln sollte, hätte ich mir allerdings denken können.

Die Sendungen stehen jede für sich, sie widmen sich einzelnen Aspekten zeitlicher, stilistischer, geographischer oder musikalischer Natur. Und doch bauen sie auch alle aufeinander auf. So soll der genaue Blick auf das Einzelne gerade dabei helfen, den Blick aufs Ganze zu schärfen. Wie bei einer Zwiebel soll die Sendung Schicht um Schicht wachsen und versucht dabei, ein Netz zu spinnen, Einflüsse und Entwicklungen zu verfolgen und Verbindungen herzustellen.

Nachdem die Sendung seit Anfang 2015 meist jeden ersten Donnerstag im Monat um 22 Uhr lief, erklingt sie aktuell regelmässig jeden zweiten Dienstag im Monat, weiterhin um 22 Uhr. Weitere Termine zwischendurch entnehmt Ihr bitte dem Sendeplan.

Übersicht über kommende und bisherige Sendungen

 

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